Mittwoch, 28. Oktober 2009

Sommer des Wahnsinns

Wenn ich die Zeit von April bis Oktober diesen Jahres zusammenfassen wollte, fällt mir partout kein besserer Begriff ein als: “Sommer des Wahnsinns”. Da waren einerseits ein paar private Turbulenzen… aber eigentlich war das bestimmende Thema die Arbeit.

Kurz gesagt ist im April diesen Jahres die Wirtschaftskrise bei uns eingeschlagen. Das alleine wäre noch nicht so schlimm gewesen – aber was dann folgte, war panischer, kopfloser Aktionismus. Erst wurde in unserem Projekt zusätzliche Samstagsarbeit verordnet – in der Hoffnung, mit dem schneller fertig werdenden Produkt schnell wieder Geld reinzuholen. Ein paar Wochen später wurde das Budget eingefroren, wenig später dann Kurzarbeit angekündigt… anschließend sämtliche Verträge mit Fremdkräften gekündigt.

Mindestens zwei Monate war an Arbeiten nicht mehr zu denken: die einen mussten ihre Überstunden abbauen, die anderen wurden vorzeitig aus dem Projekt rausgezogen, die dritten schauten sich mittlerweile nach neuen Jobs um. Erst als sich wieder in der Führungsetage rumgesprochen hatte, dass die meisten Projekttermine aufgrund mangelnden Personals erst am Sanktnimmerleinstag fertig werden würden,  wurde die Kurzarbeit Stück für Stück aufgelöst, und möglichst viel Personal wieder rückgeführt. Aber auch jetzt noch läuft die Arbeit auf Sparflamme: wichtige Fachkräfte sind uns über Nacht einfach abhanden gekommen, und sind derzeit kaum zu ersetzen.

Was mich am meisten schockiert hat, war diese vollkommene Planungslosigkeit. Monatelang sind alle Mitarbeiter – egal ob Angestellter oder Führungskraft – kopflos durch die Gegend gerannt, völlig unfähig angemessen zu reagieren. Meine Abteilung, der ich bereits zu Studienzeiten zugeteilt war, ist von einem Tag auf den anderen komplett (und ohne Vorwarnung) verschwunden. Wir wurden dann anderen Abteilungen, die ebenso über Nacht gegründet wurden, dann neu zugeteilt.

Ironischerweise habe ich durch dieses Tohuwabohu eher profitiert: ich habe heute einen festeren Arbeitsplatz als noch im April, bin genau in dem Bereich wo ich hinwollte, und konnte die Zeit nutzen, um gewisse Dinge umzusetzen zu denen ich in einem normalen Terminplan vermutlich nie die Chance gehabt hätte. Viele Kollegen hatten nicht so viel Glück, und es wird noch viel Zeit vergehen, bis der Scherbenhaufen einigermaßen aufgeräumt ist.

Das ist trotzdem noch Jammern auf hohem Niveau: praktisch alle haben noch ihren Job, und die Firma steht noch. Wir haben die Krise deutlich besser überstanden als viele andere Firmen. Aber zu sehen wie ein ganzer Standort in Schockstarre verfällt… das war schon eine bizarre Erfahrung. Selbst für die ältesten Mitarbeiter die ich kenne war das etwas nie Dagewesenes.

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