Samstag, 30. Mai 2009

Ruhe

Der Begriff musste erst noch erfunden werden: “Betriebsruhe”. Darüber hat man sich bei uns in der Firma durchaus die Köpfe zerbrochen, denn “Zwangsurlaub” klang ein wenig harsch, und eine Betriebsschließung ist es nicht.

Fakt ist: ein nicht gerade kleiner Teil des Standorts steht seit heute still. Drei Wochen Freizeit – zusammengesetzt aus Urlaubstagen und Überstundenpauschalen – sollen dafür sorgen, dass die Leute ihre freie Zeit vor allem dann nehmen, wenn es ohnehin nichts zu arbeiten gibt.

Für mich ist das ironischerweise ein Glücksfall. Seit gut einem Jahr habe ich keinen richtigen Urlaub mehr gehabt, und es gab so viel Arbeit, dass es sogar für bezahlte, flächendeckende Samstagsarbeit gereicht hat. Und wir hätten wahrscheinlich auch noch weiter gemacht, wenn nicht von weit höherer Ebene diese Zwangspause eingerichtet worden wäre.

So sind wir jetzt ganz automatisch gegen diese künstliche Barriere gelaufen, und müssen – dem Himmel sei Dank – jetzt endlich Urlaub machen, und mit dem alten Projekt abschließen.

Und ich merke auch, wie Stunde um Stunde die Anspannung von mir abfällt. Solange es andauert merke ich das meist nicht, aber sobald es nachlässt, merke ich wie sehr das alles an meinen Nerven gezehrt hat.

Trotzallem bin ich froh. Die letzten zwei Wochen waren sehr produktiv, und wir haben gute Vorarbeit geleistet, um es das nächste mal besser zu machen. Warum alte Fehler wiederholen, wenn es noch so viele neue zu machen gibt? ;-)

Ich denke, das nächste halbe Jahr wird deutlich entspannter. Vieles spricht dafür. Und ich gebe zu: dass in diesen schwierigen Zeiten für mich auch noch eine Gehaltserhöhung rausgesprungen ist, macht mich auch ein Stück weit stolz.

Donnerstag, 21. Mai 2009

Prophet im eigenen Land

Seit Jahren wiederholt sich bei mir ein Spielchen, was mich langsam aber sicher in den Wahnsinn treibt. Das Spiel geht ungefähr so:
Person X sagt oder tut irgendwas. Bei mir klingeln die Alarmglocken, und ich warne: “Wenn du jetzt dieses oder jenes tust/nicht tust, wirst du in einem halben Jahr im Tal der Tränen landen.”
Ich krieg dann meistens eine abfällige Bemerkung à la “Du weißt doch gar nicht wie es mir geht”, und Person X entscheidet sich dann für genau das was ich ihr abgeraten habe.

Wenn das jetzt eine einmalige Sache wäre, würde ich das ja verstehen. Aber ich erlebe genau diese Situation seit Jahren. Immer mit anderen Personen, immer mit leicht veränderten Vorzeichen, aber eben doch. Ich will nicht überheblich wirken, aber mein Instinkt ist seit ein paar Jahren in der Hinsicht doch ziemlich gut geworden. Ich bin auch auf Arbeit recht gut darin, Probleme im voraus zu entdecken, und dann präventiv gegen sie anzugehen.

Nur: zumindest im privaten Bereich hört nie jemand auf mich. Gut, ich kann denjenigen keinen Vorwurf machen. Einige davon sind nur flüchtige Bekannte, die kennen mich nicht lange genug um mir so tief vertrauen zu können.
Aber ich stehe regelmäßig, immer wieder, daneben und muss hilflos mit ansehen wie meine Worst-Case Prognosen einschlagen. Und das strengt auf die Dauer unheimlich an – so als ob ich zum Zuschauen verdammt wäre. Ich bin wie der Typ im Kino, der aufgeregt vom Sitz springt und ruft: “Geh nicht da rein! Es ist eine Falle!” – in völliger Ignoranz dessen dass der Film schon längst abgedreht ist.

Auch aktuell hab ich so einen Fall. Die Beziehung einer Freundin ist gerade auf äußerst schmerzhafte und plötzliche Weise zerbrochen. Ich steh daneben, und würde ihr gerne helfen. Ich denke, ich weiß sogar wie ich ihren Schmerz lindern könnte (der derzeit wirklich enorm groß ist), und vor allem denke ich, könnte ich verhindern dass sie mental eine dauerhafte Narbe davon trägt. Nur: sie nimmt mich nicht ernst. Das frustriert doppelt, weil ich mich zum einen gekränkt fühle, und zum anderen jetzt diesen langen, langen und völlig unnötigen Leidensweg von ihr mitkriegen werde.

Warum nur??? Wenn ich zynisch wäre, könnte ich vermuten dass diese Frau den Schmerz geradezu sucht. Damit sie rückblickend mit einem ehrlichen Schaudern erzählen kann, mit welcher eiskalten Grausamkeit ihr Ex sie so als Häuflein Elend zurücklassen konnte.

Ich versteh es einfach nicht. Ich hab auch schon geheult wie ein Schlosshund, ich hab auch schon völlig irrational monatelang einer Frau hinterher geschmachtet die mich verlassen hat, bis ich total kaputt war. Aber ich hab draus gelernt, ich nehm das heute lockerer. Ich hab vor allem auch verstanden, dass der Schmerz nur sehr wenig mit Liebe zu tun hat.

Tiefe Gefühle bedeuten nicht gleichzeitig, dass man automatisch tief verletzt wird. Das muss nicht sein.

Montag, 11. Mai 2009

Vergessen

Ich hatte heute einen bizarren Moment der Klarheit. Ich saß heut morgen trantütig an meinem Arbeitsplatz (Montage, insbesondere die frühen Stunden sind nicht meine Stärke), und schaute den Code an an dem ich jetzt schon eine Weile rumschraube.

Irgendwas seltsames fiel mir darin auf, und ich suchte in Google nach einem passenden Artikel… und dann durchfuhr es mich wie ein Blitz.
Ich will hier nicht auf Details eingehen, aber mir fiel plötzlich eine Lösung ein, die eine Menge von meinem mühsam hingefrickelten Code mit drei Zeilen erschlagen würde – und das wesentlich mächtiger, flexibler und komfortabler als ich es je selber hinkriegen würde.

Das alleine wäre nicht ungewöhnlich, sowas passiert schon öfters mal. Was seltsam daran war, dass ich diese Lösung schon mal gesehen hatte. Ungefähr vor einem Jahr, als ich mich mit dem Thema beschäftigt hatte. Ich hatte mir das damals angeguckt, und auch ausprobiert. Ich hab nur vergessen, die logische Konsequenz daraus zu ziehen. Ich hab mir dann eine Behelfslösung gestrickt die so einigermaßen funktionierte. Rückblickend gesehen muss ich da geistig umnachtet gewesen sein.

Hätte ich das damals gepeilt, hätte ich mir – und einigen anderen – ein paar Wochen Arbeitszeit und viel Ärger im vergangenen Jahr erspart. Für eine gute halbe Stunde saß ich wie paralysiert da, bis ich dann anderen von meiner Erkenntnis berichtete.
Niemand legt mir das negativ aus (die sind ja schließlich auch nicht auf die richtige Lösung gekommen), aber die Tatsache dass ich die Antwort schon in den Händen hatte, und einfach ignoriert habe… das irritiert mich gerade zutiefst.

Was habe ich denn noch so alles vergessen, was eigentlich wichtig wäre?

Mittwoch, 6. Mai 2009

Spam Lyrik

Vor drei Tagen hatte ich überraschend eine Mail im Postkasten (Absender: Claudia McClain), dessen Gedicht mich doch irgendwie fasziniert hat. Ich will es an dieser Stelle mal veröffentlichen (unbearbeitet):

Sind jetzt, ohne Widerstreit,

Der dein stillstes Glu:ck gesehn;
Und springen im Gras herum;
Und ka:mest endlich gar hinauf
Kaum zittert durch die Mittagsruh
als wenn Soldaten ziehn ins Feld,
Krachen und Heulen und berstende Nacht,
Sie aber schon um achte
Was sagt' der Herbst der Ros' ins Ohr,
Es kommen andere Zeiten!
Doch reissen auch die zarten Fa:den,

Was viele nicht wissen: Spam Filter sind mittlerweile sehr, sehr intelligent geworden. Sie prüfen nicht nur auf Absender und verdächte Betreffzeilen, sondern auch auf die Stimmigkeit des Textes, und auf alle Anzeichen die darauf hindeuten dass eine Maschine die Mail verfasst hat.
Die Spammer dagegen versuchen mit immer größerem Aufwand diesen Filtern zu entgehen, und versuchen zumindest einige Brocken natürlicher Sprache zufällig in ihre Unmengen an Spam Mails einzustreuen. Dazu bedienen sie sich ganz gerne aus Nachrichten, aber auch Prosa und Lyrik. Der Computer mischt diese Textfragmente so gut und sinnvoll es geht… und so entsteht das was das Nachrichtenmagazin “der Spiegel” so passend “Spam Lyrik” getauft hat.

Wenn ihr das nächste Mal also so achtlos eure Spams wegschmeißt, schaut doch mal genauer hin. Vielleicht findet sich ja ein kreatives Juwel zwischendrin. ;)

Sonntag, 3. Mai 2009

Angst vorm Verletzen

Zur Abwechslung mal was privateres: Samstag Nacht habe ich den berühmten Satz gehört, den der eine oder andere vielleicht kennen dürfte:

“Ich hab einfach Angst dass du dich in mich verliebst.”

Nicht zum ersten Mal, muss ich zugeben. Mir wurde schon mehr als einmal vorgeworfen, dass ich mich emotional zu schnell in etwas reinstürze (nein, diesmal nicht. Ich bin nicht verliebt.)

Aber ich finde, man sollte mal kurz innehalten, und sich diesen Satz auf der Zunge zergehen lassen. Was heißt er eigentlich?

Angst wovor? Angst vor der Verantwortung? Angst vorm Verletzen? Sollte nicht derjenige Angst haben der verletzt wird, statt derjenige der verletzt?

Das Phänomen kennt man ja auch woanders her. Ich hab auf Arbeit auch so Teamfindungsmaßnahmen mitgemacht, wo wir den anderen loben mussten. Kritisieren ist ziemlich einfach, aber jemanden loben… das hat irgendwie was sehr intimes, verletzliches. Ich vermute, weil man sich dagegen nicht wehren kann. Wenn man ein Lob abschmettert, entwertet man denjenigen der lobt, und niemand sieht sich wohl selbst gern als der Böse.

Genauso wohl hier: jemand Verliebtes abzuweisen, wirkt hart und egoistisch.

An der Stelle würde ich mir aber trotzdem öfters etwas mehr Egoismus wünschen. Wenn ich mich verlieben sollte, ist das MEIN Problem. Ich muss das kommunizieren, ich muss mich mit der Situation arrangieren. Ich muss gegebenenfalls auch Konsequenzen daraus ziehen, wenn mir das schadet.

Dieser Satz: “Ich hab einfach Angst, dass du dich in mich verliebst.” gibt mir das Gefühl, als wäre ich ein Kind auf das man aufpassen müsste. Als müsste ich da behütet werden, weil ich keine Kontrolle über mich habe. Auch wenn es nett gemeint ist: sowas kränkt mich.