Sonntag, 30. Mai 2010

Das digitale Dorf

So über die Jahre hinweg habe ich immer wieder mal versucht, übers Internet neue Menschen kennenzulernen: über Foren, Chats, Dating Portale…

Ich habe dabei auch so einige wirklich spannende Menschen kennengelernt, aber trotzdem bin ich damit nicht so ganz zufrieden. Denn die Lücke zwischen virtuellem Raum und Realität ist immer noch ziemlich groß…

Wie sieht der Alltag aus? Normalerweise ist man von Kollegen umgeben, Stammtischen, Sportvereinen, dem eigenen Freundeskreis… mit diesen Menschen kann ich mich – wenn ich will – auch in die eigene Küche stellen und was kochen. Bei Internetbekanntschaften lernt man schnell Menschen kennen, die aber über die ganze Welt verstreut sind. Selbst Menschen die nur ein paar hundert Kilometer entfernt sind, sind damit irgendwie kaum noch “real”, nicht mehr Bestandteil des eigenen Alltags.

Früher hat man vom “Globalen Dorf” gesprochen – das Internet schrumpft die Welt auf Dorfgröße zurecht. In der Realität sind wir immer noch alle furchtbar weit voneinander weg. Mehr noch: das Internet hat nicht dazu geführt, dass ich die Menschen besser kenne, die tatsächlich in meiner Umgebung leben.

Ich glaube, dass sich das gerade so langsam aber sicher wandelt. So nach und nach entwickeln sich Sozialstrukturen im Internet, die immer tiefer örtlich verwurzelt sind. Flashmobs sind ein eindrucksvolles Beispiel dafür, was man in einer Stadt auf die Beine stellen kann, wenn die Idee nur ausreichend gut ist.

Selbst der Eurovision Songcontest bedient sich mittlerweile solcher Dance-Flashmobs (wenn auch die heute abend vorher inszeniert waren – was dem Sinn eines Flashmobs irgendwie zuwider läuft), die ersten politischen Parteien und Lobbies entdecken das Internet als Organisationsort.

Irgendjemand hat mal nachgerechnet, wie schnell sich Informationen über Facebook verbreiten. Ergebnis: schneller als über jede Nachrichtenseite, sogar schneller als über die Suchmaschine. Der digitale Flurfunk sorgt dafür, dass Informationen vor allem da fließen wo Menschen sich tatsächlich kennen.

Ich habe noch keine Ahnung, wo konkret das hinlaufen wird. Aber ich bin mir sicher: sobald Facebook irgendwie aufs Handy kommt und dort GPS integriert, könnte das einige spannende Konsequenzen haben. Da könnten Informationen reintrudeln so à la: “vorne um die Ecke sind übrigens Menschen, die die selben Interessen haben wie du”

Mir fehlt ehrlich gesagt die Fantasie, um mir vorzustellen wie das konkret ablaufen könnte. Aber die kleinen Veränderungen die wir gerade erleben, haben das Potential, unseren Bezug zu der Stadt in der wir leben grundlegend zu verändern.

Freitag, 14. Mai 2010

Augen im Dunkeln

Ich komme gerade von einem kleinen Konzert (“Katzenjammer”), sehr zu empfehlen. Wir waren mit ein paar Leuten da die mein Kollege flüchtig kennt. Ich steh also da vor der Bühne und genieße die Musik – leider nicht ganz störungsfrei. Einige sind stark alkoholisiert, andere rufen öfters dazwischen, andere wiederum versuchen gerade zwanghaft die Aufmerksamkeit der umstehenden Leute auf sich zu ziehen…

Ich ließ mal kurz die Augen schweifen, ob noch mehr so Chaoten im Raum sind. Offenbar nicht, aber als ich in die vielen Augen links und rechts neben mir sah, hatte ich ein merkwürdiges Gefühl… manche Augenpaare kamen mir unheimlich vertraut vor, andere wiederum wirkten so fremd, als wäre da gar nichts.

Ich habe das Konzert über darüber gegrübelt warum das so ist, und ich denke es hat etwas damit zu tun, worauf die Menschen geschaut haben. Die meisten haben einfach ihre Augen ganz allgemein nach vorne gerichtet: hin zum Licht, und zur Musik. Ihre Augen sind entspannt, weil sie sich von der Welle tragen lassen, und völlig darin aufgehen.

Dann gibt es diejenigen, die der Musik den Rücken zudrehen, und zu ihren Freunden schauen – oder hin zu Leuten deren Aufmerksamkeit sie offenbar haben wollen.
Dann sind da noch diejenigen, die offenbar gerade ihre eigenen Probleme haben, und mit ihrem Kopf eigentlich weit weg sind.

Und dann sind da noch diejenigen, die etwas sehr spezielles suchen. Die einen sehr bestimmten Punkt fokussieren: eins des Musikinstrumente, einen der Sänger, oder einen beliebigen Gegenstand oder Person in diesem Raum. Es ist ein hochkonzentrierter Blick, geradezu anstrengend – als ob sie nicht nur beobachten würden, sondern dem Ziel geradezu seine Geheimnisse entreißen wollen. Als wäre gerade dieses einzelne Objekt das wertvollste und bedeutendste des ganzen Raumes. Sie schauen nicht AUF etwas, sondern in es HINEIN.