Montag, 19. Juli 2010

Wahnsinn mit Methode

Wer mich privat kennt, weiß auch dass ich gerne und regelmäßig über die Arbeit lästere. Ich schimpfe viel darüber, was alles schief geht, und wie unkoordiniert das oft läuft, und wie rückständig wir technologisch und organisatorisch sind…

Aber mittlerweile glaube ich, ich brauche das. Irgendwie fasziniert mich dieses Chaos. Es ist wie ein riesiger Bienenstock: niemand weiß warum, aber alles greift irgendwie ineinander und funktioniert. Selten harmonisch, und es geht regelmäßig viel zu Bruch, aber es geht immer voran.

Ich habe schon öfters gescherzt: wenn man aus Fehlern wirklich lernt, dann ist mein Kopf bald voll.
Und es ist wirklich was dran: wir können regelmäßig auf die Schnauze fliegen, ohne dass es der Firma das Genick bricht. Es tut jedes mal weh, aber es tötet nicht. Und irgendwann ist die Wut so groß, dass man sich vornimmt es selber besser zu machen.

Ich hab in den letzten Jahren viel Arbeit darin gesteckt dass wir uns flexibler machen, dass unvorhergesehene Ereignisse uns nicht mehr einige Wochen, sondern eher ein paar Tage aus der Bahn werfen. Möglichst wenig Verwaltung, möglichst wartungsarme Tools und Verfahren. Code, der im Zweifel schnell und einfach ausgebessert werden kann, und möglichst selbsterklärend ist. Risikomanagement eben. Wir versuchen, das Unplanbare zu planen, und werden tatsächlich Stück für Stück besser darin. Und es zahlt sich tatsächlich aus.

Software ist sowieso spannend. Wohl in nahezu jedem anderen Beruf kommt man mit Anstrengung und Arbeit dem Ziel automatisch näher. Ein Hausbau mag sich um ein paar Monate verzögern, aber früher oder später wird man fertig. Bei Software ist das anders: nicht wenige Projekte scheitern in der Endphase. Planungsfehler lassen sich nur mit Gehirnschmalz, aber nicht mit Muskelkraft ausgleichen. Deshalb ist es immer möglich, dass ein kleines Team viel schneller und viel besser vorwärts kommt als ein großes.

Diese Spur von kreativem Wahnsinn, dass man als einzelner Mensch tatsächlich etwas erreichen kann woran sich Generationen vorher die Zähne ausgebissen haben… das fasziniert und begeistert mich. Deshalb ist das Chaos auf Arbeit für mich nicht negativ, sondern eher wie eine Spielwiese.