Mittwoch, 10. November 2010

Parteiendemokratie

Seit ein, zwei Jahren beschäftige ich mich ungewöhnlich intensiv mit Politik. Ich hatte zwar schon immer ein Interesse daran, aber mehr hobbyweise. Ich habe zur Kenntnis genommen was da so passiert, aber ich fand es nie besonders wichtig.

Keine Ahnung was sich geändert hat. Vielleicht waren es Projekte wie Stuttgart 21, vielleicht war es die letzte Bundestagswahl. Vielleicht war es das Kantinenessen was mir vor Augen geführt hat, dass das Leben eben nicht nur aus Geld verdienen und Ausgeben besteht – dass es bestimmte Dinge im Leben gibt die man mit Geld eben nicht beeinflussen kann, sondern als Gesellschaft als Ganzes. Deshalb habe ich mich vor einigen Monaten entschlossen, den Grünen beizutreten.

Ich habe letzte Woche im Forum eine ziemlich hitzige Diskussion mit einigen Schweizern über das Für und Wider direkter Demokratie geführt. Ich hatte da eine dieser Eingebungen, die ich versuchen will hier zusammenzufassen:

Wahlen sind nicht dazu da, Entscheidungen zu treffen. Ein Entscheidungsprozess lässt sich nicht einfach auf “Ja” oder “Nein” runterdestillieren. Die fachliche und gesellschaftliche Diskussion muss vorher passiert sein. Wahlen dienen nicht dazu, Entscheidungen zu treffen, sondern bereits gefällte Entscheidungen zu legitimieren. Es ist nicht mehr als eine Rückversicherung, dass die Mehrheit der Menschen immer noch die Politik wahrnimmt.

Die wirklichen Detailfragen dagegen, die beginnen auf der Straße, und wachsen in den Parteien. In Deutschland sind wir eine Parteiendemokratie: bevor eine Partei einen Kanzlerkandidaten stellt, musste der sich in jahrelangen Kämpfen genügend Rückhalt innerhalb der eigenen Partei sichern, um so hoch zu kommen. Das funktioniert nur, wenn in der Partei genügend Menschen existieren die der selben Meinung sind.

Wenn wir den Politikern Führungsschwäche und fehlende Volksnähe vorwerfen, dann liegt das vor allem daran dass die klassischen Parteien am Zerbrechen sind. Die Identifikation fehlt, immer mehr Menschen verzichten auf ihr Parteibuch. So wie eine kaputte Firma keine Spitzenkräfte anzieht, bleiben die wirklich guten Fachkräfte auch heute der Politik fern. Ein Teufelskreis, der so lange nach unten zeigt bis sich die Parteibasis stabilisiert.

Das ist ein gefährlicher Trend – viel tiefgreifender als die täglichen politischen Plänkeleien. Es werden Jahrzehnte vergehen, bis wir in Deutschland diese Basis, diesen gesamtgesellschaftlichen Konsens wieder haben.