Samstag, 20. Februar 2010

2020

Wir schreiben das Jahr 2010… ehrlich? Wenn ich aus dem Fenster schaue, sehe ich weder fliegende Autos noch Roboter die für mich die Einkäufe erledigen. Haben wir so vor zehn Jahren uns die Zukunft vorgestellt?

Offenbar ist das mit Zukunftsprognosen so eine Sache. Wir neigen dazu, uns die Zukunft als größer, schneller und einfach mehr vorzustellen als unsere Gegenwart. Ich dachte, ich versuche mich mal an meiner ganz eigenen Zukunftsprognose für das Jahr 2020.

Was werden wir die nächsten zehn Jahre zu sehen bekommen? Erstmal die offensichtlichen Trends: Biotechnologie – insbesondere Genetisches Engineering – wird eine ähnlich rasante Entwicklung nehmen wir vor 20 Jahren die Informatik. Es wird eine Weile dauern bis man versteht, wie tiefgreifend das sein wird. Das erste was wir wahrscheinlich sehen werden, sind organische Kraftstoffe, das nächste wird wohl die somatische Gentherapie sein – die auch schon heute erfolgreich eingesetzt wird.

Politisch sehe ich die größte Veränderung im Internet. So allmählich wird das Internet nicht nur als Werbeplattform genutzt, sondern aktiv von Lobbygruppen und politischen Parteien. Die Piraten und Online Petitionen sind nur das erste Anzeichen dafür, dass die öffentliche Meinung mehr und mehr im Internet diskutiert und geformt wird.

Was den Umweltschutz angeht: das Zwei Grad Ziel werden wir selbstverständlich verfehlen. Das ist schon heute unhaltbar.

Zur Wirtschaft: mein Eindruck ist, dass man die Trägheit von Wirtschaftssystemen gar nicht hoch genug einschätzen kann. Uns werden wohl auch in zehn Jahren immer noch die selben Probleme drücken wie heute: Staatsverschuldung, Arbeitslosigkeit, teure Rohstoffe, Energieknappheit, Erderwärmung, rechtliche Lücken… ich glaube, dass all das lösbar ist – aber nicht in den nächsten Jahren. Das wird mehr Zeit brauchen, bis sich die Lage wieder entspannt.

Wo wir gerade bei Dingen sind die sich nicht ändern werden: die großen Sprünge bei der Computerhardware sind vorbei. Die Zeiten, in denen sich jedes Jahr die Rechnerleistung verdoppelt, geht ihrem Ende zu. Wir werden im Bereich Software noch jede Menge Überraschungen überleben – aber in erster Linie, weil wir lernen werden besser unseren Computer zu nutzen, und nicht weil er stetig schneller wird.

Religion und Glauben: ich persönlich würde mir ja ein neues Zeitalter des Humanismus und ein starkes Selbstbewusstsein des Atheismus wünschen, aber das wird nicht passieren. Die modernen social Networks dienen in erster Linie als Katalysator: Menschen finden genau die Informationen, die sie in dem bestätigen was sie ohnehin schon glauben. Die Flut an Informationen macht es praktisch unmöglich, zwischen Realität und Fiktion noch zu unterscheiden – und im Endeffekt auch unwichtig. Wahr ist, was gefällt. Und bei all den Problemen in der Welt ist kaum noch Platz für komplexe Antworten.

Jetzt zu den weniger offensichtlichen Prognosen:
In zehn Jahren wird jeder Mensch Videospiele spielen. Und mit “jeder” meine ich: 80% oder mehr. Der Erfolg der Casual- und Social Games (siehe Farmville auf Facebook) ist gewaltig. Und damit werden sie zum wichtigsten Kulturmedium überhaupt werden – noch verbreiteter und bedeutender als Fernsehen und Bücher. Die meisten Menschen nehmen heute Spiele als Zeitvertreib wahr, und nicht etwa als Medium, was eine völlig neue Erzählform darstellt. Ein anderes junges Medium hatte das selbe Problem, und hat nach vielen Jahrzehnten es auch endlich zur Anerkennung geschafft – nämlich das Comic.

Noch eine Prognose: wir werden mehr ortsgebunden sein als heute. Es werden weniger Leute ein Auto haben, es werden immer mehr Menschen vom Land in die Stadt ziehen, wir werden seltener fliegen, und wir werden unseren Freundes- und Bekanntenkreis wieder mehr in unserer unmittelbaren Nähe haben. Paradox: Internet und Telefon haben die Welt zum globalen Dorf gemacht, aber echte Mobilität werden sich wohl immer weniger Menschen leisten können. Ich fürchte, dieser Trend ist durch die Energiekrise unausweichlich, zumindest mittelfristig.

Wir werden in Zukunft weniger in Stahl und Beton wohnen, als in Holz und Glas. Das ist billiger, gesünder und leichter zu klimatisieren. Wir werden vermutlich deutlich weniger arbeiten – zu geringerem Geld, versteht sich. 30 Stunden Woche ist ja heute schon im Gespräch. Wir werden wohl insbesondere in Deutschland immer weniger Fernsehen – zumindest das klassische Fernsehen ist am Sterben, die Enthusiasten werden vorwiegend Video on Demand nutzen.

Und natürlich wird irgendeine Kleinigkeit unser Leben grundlegend verändern, die sich momentan noch kein Mensch auch nur annähernd vorstellen kann – so wie das Handy.