Mittwoch, 5. Januar 2011

Rückblick 2010 – Die Welt da draußen

Ich fand 2010 ein enorm spannendes Jahr. Nicht weil sich so viel verändert hätte… sondern weil es viele Ereignisse gab, die einen dazu bewegten – ja, geradezu zwangen – sich zu entscheiden, auf welcher Seite man stehen möchte.

Die europäische Frage

Klar: die Wirtschaftskrise in 2009 ging auch viele Menschen sehr direkt etwas an. Aber das ist eigentlich nichts worüber es sich zu diskutieren lohnt: Krisen sind immer schlecht. Man kann darüber diskutieren wer die Schuldigen waren, aber es gibt kein Für und Wider.
Ganz anders in der Griechenland- und später Irland-Krise. Die zentrale Frage letztendlich ist: wollen wir unseren Nachbarstaaten in Krisenzeiten helfen, oder nicht? Ist es überhaupt sinnvoll sich so helfen zu lassen, oder beißt man die Zähne zusammen und schafft es aus eigener Kraft wieder raus? Klar: bei einer Flut schleppt man immer gerne Sandsäcke, aber ist man auch bereit, finanziell für den anderen den Kopf hinzuhalten? Das ist für uns für Deutsche eine ganz existenzielle Frage, weil unser Wohlstand nun mal langfristig auch darauf zurückgeht, dass wir die meisten unserer Produkte in die restlichen EU Staaten verkaufen.
Die Frage hat sich mittlerweile nahezu selbst beantwortet. Auf Arbeit nennen wir so was spaßhaft “die normative Kraft des Faktischen”: es wird zum Gesetz, was eh schon die Regel ist. Ob Euro oder nicht, ob EU Ministerien oder nicht: in Europa sitzen wir letztendlich doch alle in einem Boot. Das hat die Finanzkrise unmissverständlich klar gemacht.

Die Protestwelle

Es gab ja nicht nur die Castortransporte und Stuttgart21, wo massenweise die Menschen auf die Straße gegangen sind. Egal ob irgendwelche Lohnkürzungen oder Bauprojekte: es scheint so, als wären die Menschen nicht nur wütend, sondern sehen den offenen Protest auch als sinnvolles politisches Mittel. Das war vorher nicht so: da haben sich auch viele aufgeregt, aber es hat keine solche Eigendynamik bekommen.
Natürlich wird da viel politisch instrumentalisiert. Aber ich kann aus eigenem Eindruck sagen: die Grünen z.B. sind natürlich gerne auf diesen Zug aufgesprungen, aber sie haben ihn nicht gestartet. Die haben teilweise erst viele Wochen zu spät überhaupt begriffen, dass man da ja vielleicht mitmachen sollte.
So gesehen ist es schon merkwürdig, was da draußen passiert. Ist es nur ein Strohfeuer? Wächst hier eine neue Form von Basisdemokratie, oder gar eine neue Form der gegenseitigen Totalblockade? So oder so: man kommt heute kaum darum herum, eine Meinung zu haben, und diese auch zu verteidigen.

Klimagipfel von Cancún

Es ist eigentlich nur eine Randnotiz dieses Gipfels, die wohl kaum einem aufgefallen ist. Und doch wird sie wohl in den Geschichtsbüchern stehen: dies ist der erste UN Gipfel, wo ein internationales Papier ausgehandelt wurde, ohne dass alle Staaten zugestimmt hätten. Normalerweise müssen alle großen UN Beschlüsse einstimmig sein – weltweit. Diesmal gab es eine Gegenstimme von Bolivien, die aber schlicht von der mexikanischen Außenministerin ignoriert wurde – und auch sonst von der gesamten Staatengemeinschaft. Was sich nach einer Bagatelle anhört, ist die diplomatisch dramatischste Veränderung in der UN seit dem zweiten Weltkrieg. Frei nach dem Motto: es gibt wichtigeres als staatliche Einzelinteressen. Wo gehobelt wird, fallen Späne.
Das hat natürlich gute wie schlechte Konsequenzen, aber es ist ein wichtiger Schritt hin zu der Erkenntnis, dass wir es hier mit ernsten globalen Problemen zu tun haben, die wichtiger sind als jedes diplomatische Protokoll. Der Gipfel selbst war vielleicht kein besonderer Erfolg, aber Espinosas Engagement wird definitiv Geschichte schreiben.

WikiLeaks

Natürlich gab es schon vor WikiLeaks große Enthüllungsgeschichten. Interessanter als die (wenig überraschenden) Erkenntnisse aus den Irak-Krieg Protokollen und Diplomatendepeschen fand ich die Reaktion auf WikiLeaks: dieser krampfhafte Beißreflex, dieser völlig unreflektierte Umgang mit der Öffentlichkeit – und wie kläglich das US-Außenministerium im Endeffekt bei der Eindämmung versagt hat.
Ich habe schon das letzte Jahr darüber fabuliert, wie politische Interessen sich in Zukunft vor allem über das Internet organisieren werden – hier haben wir ein Beispiel dafür, wie so etwas eskalieren kann. Unglaublich, was da von angeblich zivilisierten Menschen gehört hat: Julian Assange soll lebenslang bekommen, am besten die Todesstrafe für Hochverrat.
Man muss den Vandalismus von der “Anonymous” Gruppe nicht gut finden, aber ich musste schon schmunzeln, mit welcher Leichtigkeit hier alle politischen und wirtschaftlichen Schwergewichte abgewatscht wurden. Wem es bis heute nicht klar war, sollte es jetzt gelernt haben: das Internet vergisst nicht. Zumindest nicht die unterhaltsamen Dinge.

Das waren also ein paar Punkte, die mir 2010 besonders hängen geblieben sind, und die – in ihrer eigenen Art – alle irgendwie eine Form von Meilenstein darstellen. Viele Nachrichten wiederholen sich jedes Jahr: Naturkatastrophen, politische Skandale, Stars und Sternchen… aber es gibt wenige Ereignisse, wo man von einem “Bruch” in der Geschichte sprechen kann, von einem neuen Zeitalter. Momente, wo man das Gefühl hat dass die Spielregeln leicht geändert wurden. Ich glaube, dass 2010 so ein markantes Datum war.

Samstag, 1. Januar 2011

Rückblick 2010 - Privat

So, wieder ein Jahr rum… Zeit zu resümieren. Meine erste wichtige Erkenntnis: ich hab im letzten Jahresrückblick zwei Bereiche zusammengeschmissen, die sich hier auch im Blog regelmäßig überschneiden, und eigentlich nicht zusammen passen. Deshalb habe ich mich entschlossen, diesmal zwei Rückblicke zu schreiben: einen für mein Privatleben, und einen für die Veränderungen in der Welt da draußen die mich fasziniert haben.

In einem Satz: 2010 war nicht sensationell, aber ein sehr gutes Jahr. Die beruflichen Turbulenzen des Vorjahres haben sich geglättet, und ich habe tatsächlich nicht nur Spaß an meiner Arbeit, sondern auch eine ganz ordentliche Perspektive. Da war ich vor ein, zwei Jahren definitiv schlechter drauf: nicht umsonst hatte ich öfters den Gedanken gehegt, die Arbeit zu wechseln.

Ich habe das Gefühl, dass ich bodenständiger geworden bin. Mehr im Jetzt verankert. Kurz: zufriedener, glücklicher.

Ich bin mir mittlerweile eigentlich recht sicher, dass ich in Karlsruhe bleiben will. Nicht unbedingt in dieser Wohnung, aber ich merke immer wieder, dass Karlsruhe für mich wirklich “Heimat” bedeutet. Gibt sicher noch viele andere schöne Städte, und vielleicht denke ich in zehn Jahren anders, aber ich glaube Karlsruhe passt zu mir.

Ich habe mich zwar schon immer für Politik interessiert, aber so wirklich berührt hat mich das Thema erst in 2010. So genau kann ich gar nicht sagen was der Auslöser war, aber letztendlich war es nur konsequent, dass ich den Grünen beigetreten bin.

Einer der besten Entscheidungen des Jahres war wohl der Yoga Kurs. Was mir das an innerer Ruhe und Körpergefühl gibt, ist nicht in Geld aufzuwiegen. Ganz allgemein: ich fühle mich privat viel ausgeglichener und zufriedener.

Das verdanke ich zu einem guten Stück meiner besten Freundin. Es war nicht immer einfach im vergangenen Jahr, aber was ich insbesondere die letzten paar Monate an Zufriedenheit und… Glück aus ihr geschöpft habe, ist schwer zu beschreiben. Danke für diese ungewöhnlichste aller Freundschaften!

Zum Abschluss noch ein paar bunt zusammengewürfelte Erkenntnisse:

  • Familie sind für mich die Menschen die ich mir selbst gewählt habe, nicht unbedingt mit denen ich verwandt bin. Das ist mir an Weihnachten besonders deutlich geworden.
  • Es ist kein hohler Spruch, dass man los lassen können muss, wenn man will dass etwas zu einem zurück kommt
  • Komisch: was einem jahrelang wichtig war, ist plötzlich so unbedeutend.
  • Es ist nicht unwichtig, was man glaubt. Zumindest für mich. Mir fällt es ungeheuer schwer, mit Menschen umzugehen, die z.B. politisch oder religiös mir völlig entgegengesetzt sind. Und davon gibt es jede Menge.
  • Vorsätze sind doof. Das hält einen nur davon ab, im hier und jetzt zu leben.