Sonntag, 19. Februar 2012

Schamanismus und ich

Wer mich kennt, weiß dass ich mit Religion und Mystik so meine Probleme habe. Ich halte Spiritualität für wichtig, glaube aber dass damit viel Schindluder getrieben wird.
Aber: ich hab in den letzten Monaten etwas erlebt, was ich vorher wahrscheinlich als Blödsinn abgetan hätte.

Ich habe – sowohl aktiv als auch passiv – an sogenannten Systemaufstellungen, insbesondere an Familienaufstellungen teilgenommen. Grob zusammengefasst: jemand versucht die Lösung zu einem konkreten Problem zu finden, und sucht sich dafür aus einer Gruppe von Menschen Stellvertreter für zentrale Personen oder Aspekte die mit diesem Problem zu tun haben. Dann lehnt man sich zurück, und schaut wie die Stellvertreter aufeinander reagieren.

Und was dann passiert, würde man in bestimmten Religionen als “Beseelung”, als “Körperwanderung” oder im Sinne vieler New-Age Bewegungen als “energetische Verbundenheit” bezeichnen: die Stellvertreter beginnen, von Gefühlen zu erzählen die nicht zu ihnen gehören, über Details zu reden die sie nicht kennen können.

Ich glaube nicht an Magie oder Gedankenübertragung. Ich glaube, dass es eine viel trivialere Erklärung hier gibt, die aber – auch und gerade für mich – sehr wohl erstaunlich und wichtig ist. Ich glaube, Menschen sind viel, viel, VIEL empfindsamer als man ihnen das zutraut. Ich habe selbst gespürt, wie in diesem Raum verschiedene Gefühle kreuz und quer von Platz zu Platz sprangen, und wie jeder Teilnehmer im Raum sich fast unmerklich in die richtige Stelle der Geschichte einfand.
Ich glaube, es ist eine Form von Gruppenintelligenz: die Reaktionen des Aufstellers werden von der Gruppe unterbewusst aufgenommen, und was für die Einzelperson schwer zu deuten ist, kristallisiert sich dann in der Gruppe heraus. Was ein einzelner Mensch mit guter Menschenkenntnis sich mühsam konstruieren kann, wird in der Gruppe plötzlich vergleichsweise leicht.

Diese Erfahrung hat mir viel zu Denken gegeben. Die ganze Geschichte hat etwas von Schamanismus. Vor meinem geistigen Auge ist da dieses Bild von dem steinzeitlichen Stamm, der geleitet vom Schamanen im Zelt sitzt und regelmäßig diese geistige Harmonie übt. Selbst für mich im 21ten Jahrhundert war das eine beeindruckende, zutiefst emotionale Erfahrung – was, wenn der Schamane dazu noch ein paar spezielle Kräuter ins Lagerfeuer wirft? Schwer vorstellbar (und wohl auch nicht nachahmenswert), was manche Menschen wohl unter solchen Umständen wahrgenommen haben. Wer bis dahin nicht an Übernatürliches glaubt, tut es danach. Das ist eine Erfahrung, die ganz klar weit über die Körpergrenzen hinaus zeigt.

Mir hat diese Erfahrung viel Hoffnung und Zufriedenheit gegeben. Zum einen, weil ich gemerkt habe dass Menschen wirklich in der Lage sind, die Gefühle von Mitmenschen (in diesem Fall ja sogar wildfremde) wahrzunehmen. Es stimmt, dass keiner von uns eine Insel ist, man muss es nur zulassen. Uns verbindet viel mehr, als uns bewusst ist.
Zum anderen, weil es offenbar immer noch Dinge in der Welt gibt, die mich wirklich staunen lassen. Es gibt immer noch so viel zu lernen, so viele Geheimnisse die noch entdeckt werden wollen.

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